Ovenden, Richard, 2020: Burning the Books: A History of Knowledge Under Attack. London: John Murray. 320 Seiten. Taschenbuch, € 6,04 bei amazon.de.
(Das Buch ist auch verfügbar als gebundenes Buch für € 24,75 sowie in einer deutschen, allerdings etwas freien und teilweise den Inhalt leicht verfälschenden, Übersetzung;
“Bedrohte Bücher. Eine Geschichte der Zerstörung und Bewahrung des Wissens.”
Wird mehr attackiert als “nur” die Worte, die diese Bücher enthalten?; so stand es in der “Financial Times” anlässlich des Erscheinens des im Titel genannten Buches des britischen Autoren und Bibliothekars Richard Ovenden im Jahr 2020 zu lesen.
In diesem m.E. lesenswerten Buch beschreibt Ovenden, der auf eine herausragende Karriere im Bibliothekswesen zurückschauen kann und seit 2014 als der 25. Bibliothekar der Bodleian Library an der Universität Oxford fungiert – die ihrerseits sechsundzwanzig einzelne Bibliotheken in Oxford samt der zentralen Universitätsbibliothek umfasst –, Bücherverbrennungen, Zerstörungen von Bibliotheken und digitale Manipulationen von Daten oder Texten zu verschiedenen Zeiten in der Geschichte der Menschheit und an verschiedenen Orten – und ihre Folgen.
Sein Anliegen ist es erstens zu zeigen, dass Versuche, Informationen und Wissen dem Vergessen anheim fallen zu lassen – sei es böswillig oder durch das Bestreben motiviert, zu einer bestimmten Zeit vermeintlich oder tatsächlich als falsch oder überholt erkannte Darstellungen auszusondern –, so alt sein dürften wie die ersten Bemühungen darum, Wissen und Informationen zu sammeln und für Folgegenerationen zu bewahren, und zweitens zu zeigen, warum der uneingeschränkte Zugang zu Informationen und die Bewahrung von Wissen, das “vulnerable, fragile and unstable” (Ovenden 2020: 7), d.h. “verletzlich, zerbrechlich und instabil”, sein kann,
“… vital for an open, healthy society [ist], as indeed it has been since the beginning of our civilisations” (Ovenden 2020: 5), d.h. “… lebenswichtig für eine offene, gesunde Gesellschaft [ist], wie es in der Tat seit Beginn unserer Zivilisationen der Fall war” (Ovenden 2020: 5).
Das Buch von Ovenden umfasst neben einer Einleitung fünfzehn Kapitel sowie eine Danksagung, Bildnachweise, Anmerkungen, bei denen es sich hauptsächlich um Literaturnachweise handelt, eine Bibliographie und einen vergleichsweise detaillierten Index, der Personen- und Sachindex in einem ist. Die große Mehrheit der Kapitel des Buches ist jeweils einem bestimmter Fall von Zerstörung einer Bibliothek oder eines Archives gewidmet, darunter die Zerstörung der Bibliothek von Alexandria in Ägypten, die Auflösung der Klosterbibliotheken im Zuge der Zerstörung der Klöster durch König Henry VIII. (Heinrich, den Achten) auf der Britischen Insel (in Kapitel 3), die einmal versehentliche, beim zweiten Mal absichtliche Verbrennung der “Library of Congress” durch die britische Armee im 19. Jahrhundert (in Kapitel 5), die systematischen Bücherverbrennungen und Beschlagnahmungen von Büchern in Nazi-Deutschland, die im Mai 1933 begannen, (in Kapitel 8), und das Bombardement der National- und Universitätsbibliothek von Bosnien und Herzegowina in Sarajewo durch serbische Milizen am 25. August 1992, die außerdem Feuerwehrleute erschossen, die vergeblich versuchten, die Bibliothek zu retten (in Kapitel 10). Diese Darstellungen waren für mich aufschlussreich, und sie sind durch Literaturhinweise im mit “Notes” überschriebenen Teil am Ende des Buches gut belegt. Wie umfassend sie sind, kann ich mangels eigenen historischen Wissens nicht beurteilen. Aufgrund des Raumes, den sie im Buch einnehmen, stellen sie den Schwerpunkt des Buches dar. Für mich persönlich waren aber es aber nicht diese Darstellungen, die ich besonders anregend fand, sondern die Fragen, die Ovenden nicht nur, aber vor allem und in systematischer(er) Weise in den letzten Kapiteln seines Buches behandelt.
So bearbeitet Ovenden in Kapitel 13 des Buches die Fragen: “As our everyday lives are increasingly played out in digital form, what does that mean for the preservation of knowledge? Since the digital shift has been driven by a relatively small number of powerful technology companies, who will be responsible for the control of history and for preserving society’s memory? Is knowledge less vulnerable to attack when it is controlled by private organisations? Should libraries and archives still have a role to play in stewarding digital memory from one generation to the next as they have done since the ancient civilisations of Mesopotamia?” (Ovenden 2020: 197-198). “Unser Alltag spielt sich zunehmend in digitaler Form ab. Was bedeutet das für die Bewahrung von Wissen? Da der digitale Wandel von einer relativ kleinen Zahl mächtiger Technologieunternehmen vorangetrieben wurde, wer wird für die Kontrolle der Geschichte und die Bewahrung des gesellschaftlichen Gedächtnisses verantwortlich sein? Ist das Wissen weniger anfällig für Angriffe, wenn es von privaten Organisationen kontrolliert wird? Sollten Bibliotheken und Archive weiterhin eine Rolle bei der Bewahrung des digitalen Gedächtnisses von einer Generation zur nächsten spielen, wie sie es seit den antiken Zivilisationen in Mesopotamien getan haben?”
Zwar bietet die Digitalisierung eine zusätzliche Chance für die Bewahrung und Weitergabe von Informationen bzw. Wissen, aber gleichzeitig bietet sie Chancen, Informationen und Wissen in bis dahin unbekanntem Ausmaß und in Sekundenschnelle zu zerstören, zu manipulieren oder unzugänglich zu machen, Letzteres u.a. durch DDos(Denial-of-Service)-Angriffe, bei denen eine systematische Überlastung von Servern durch von Bots generierte Anfragen herbeigeführt wird.
Ovenden weist auch auf m.E. sehr wichtige Gerechtigkeitsfragen hin, wenn er festhält, dass ein großer Teil des kulturellen Gedächtnisses der Menschheit durch die Digitalisierung bereits jetzt in der Hand weniger großer Unternehmen wie Google oder Facebook geraten ist, die sich seiner als “Daten” bedienen, sie zugänglich machen oder nicht zugänglich machen können. Z.B. machen sie große Teile des kulturellen Gedächtnisses der Menschheit nur einem zahlenden Publikum oder sonstwie ausgewählten Personengruppen zugänglich, Und nicht nur das: “They are collecting knowledge created by us all and we now refer to it simply as ‘data’. This data is gathered from the entire globe, and because it relates to our interaction with their platforms the companies often have exclusive access to it. They are using it to manipulate our behaviour in many different ways, mostly by trying to shape our purchasing habits, but this influence is also entering other areas of life – our voting behaviour and even our health. They are doing this in secretive ways, which are hard for people to understand” (Ovenden 2020: 198). “Sie sammeln das von uns allen geschaffene Wissen, das wir heute einfach als ‘Daten’ bezeichnen. Diese Daten werden auf der ganzen Welt gesammelt, und da sie sich auf unsere Interaktion mit ihren Plattformen beziehen, haben diese Unternehmen oft exklusiven Zugang zu ihnen. Sie nutzen sie, um unser Verhalten auf vielfältige Weise zu manipulieren, vor allem indem sie versuchen, unsere Kaufgewohnheiten zu beeinflussen, aber dieser Einfluss dringt auch in andere Lebensbereiche vor – in unser Wahlverhalten und sogar in unsere Gesundheit. Sie tun dies auf geheimnisvolle Weise, die für die Menschen schwer zu verstehen ist” (Ovenden 2020: 198).
Ein paar Seiten weiter, genau: auf Seite 201, weist Ovenden dann darauf hin, dass solche Praktiken der Digitale-Technologie-Unternehmen sowie deren Beteiligung an und Manipulation von politischen Kampagnen überhaupt nur belegbar ist, wenn die Archive, die Belege hierfür enthalten, nicht ihrerseits von diesen Unternehmen kontrolliert werden und dementsprechend zerstört, manipuliert oder unzugänglich gemacht werden. Wie Ovenden festhält, ist es deshalb wichtig, dass es Bibliotheken und Archive gibt, “… that preserve the web (in ‘web archives’) … as they are able to provide permanent bases for a huge range of the human endeavours documents online in websites, blogs and other web-based resources. The public statements of political candidates, office holders and government officials (often to their embarrassment) appear on the web, and there is an increasing sentiment that they should be preserved so that the public, the media and, eventually, voters can call their representatives to account for those statements” (Ovenden 2020: 201). “… die das Web (in ‘Webarchiven’) bewahren, … da sie in der Lage sind, eine dauerhafte Basis für ein riesiges Spektrum menschlicher Bestrebungen zu schaffen, die online in Websites, Blogs und anderen webbasierten Ressourcen dokumentiert sind. Die öffentlichen Äußerungen von politischen Kandidaten, Amtsinhabern und Regierungsbeamten erscheinen (oft für sie peinlicherweise) im Web, und es gibt ein zunehmendes Gefühl dafür, dass sie bewahrt werden sollten, damit die Öffentlichkeit, die Medien und schließlich die Wähler ihre Repräsentanten für diese Äußerungen zur Rechenschaft ziehen können” (Ovenden 2020: 201).
Ein “Recht auf Vergessenwerden”, wie es in Deutschland und der EU gemäß Artikel 17 DSGVO existiert, ist diesem Anliegen entgegengesetzt. Es schützt vor allem diejenigen, die nicht (mehr) die Verantwortung dafür tragen möchten, was sie öffentlich gesagt oder getan haben und leistet damit unverantwortlichem Sprechen und Handeln Vorschub, während es verhindert, dass sich jemand ein eingermaßen realistisches Bild von jemand anderem machen kann, dem es per Gesetz freisteht, diejenigen Aspekte seiner Person oder seiner Rede, die er selbst nicht schätzt (sonst wollte er ja nicht verhindern, dass sie in der Öffentlichkeit bekannt oder weiter bekannt werden), zu unterschlagen.
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Private Initiativen zur Dokumentation von im web veröffentlichten Inhalten sind vor diesem Hintergrund sehr wichtig, wenn nicht unverzichtbar. Als das “uber-web archive” aller derzeit exisiterenden digitalen Archivierungs-/Dokumentations-Initiativen bezeichnet Ovenden das “Internet Archive” mit Sitz in San Francisco, das von Brewster Kahle im Jahr 1996 geschaffen wurde (Ovenden 2020: 202). Eine der wichtigsten Dienstleistungen des “Internet Archive” ist die “Wayback Machine”, in der Webseiten gesichert sind, die im Rahmen einer normalen Suche mit Hilfe von Suchmaschinen (z.B. Google Search, DuckDuckGo etc.) nicht mehr gefunden werden können, weil sie von den jeweiligen Betreibern aus dem Netz genommen wurden . Ovenden (2020: 203) berichtet, dass das “Internet Archive” seit seiner Existenz 441 Billionen Web-Seiten gesichert hat. Den Nutzen der “Wayback Machine” illustriert Ovenden anhand einer eigenen Erfahrung: “When my family and I moved to Oxford in 2003 we had to fight a case with the Local Education Authority to make it possible for our two children to attend the same local primary school. We were able to prove that the authority’s public information about its policy changed on a certain date by accessing the preserved copies of their website through the Wayback Machine” (Ovenden 2020: 203). “Als meine Familie und ich 2003 nach Oxford zogen, mussten wir einen Prozess mit der örtlichen Schulbehörde führen, damit unsere beiden Kinder die gleiche Grundschule besuchen konnten. Wir konnten beweisen, dass sich die öffentlichen Informationen der Behörde über ihre Politik zu einem bestimmten Datum geändert hatten, indem wir über die Wayback Machine auf die erhaltenen Kopien ihrer Website zugriffen” (Ovenden 2020: 203).
Ovenden betrachtet das “Internet Archive” als “incredibly valuable” (Ovenden 2020: 203), d.h. als äußerst wertvoll, und als “‘organised body of knowledge’ of huge importance for global society” (Ovenden 2020: 204), d.h. als “‘organisierten Wissensbestand’ von großer Bedeutung für die globale Gesellschaft”, aber er macht sich Sorgen um seine Überlebensfähigkeit als kleine, unabhängige Einrichtung, die nur eine bescheidene Finanzierungsgrundlage aufweisen kann (Ovenden 2020: 203). Er meint deshalb:
“The international community of libraries and archives need to come together to develop new ways of supporting the Internet Archive’s mission” (Ovenden 2020: 204), d.h. “Die internationale Gemeinschaft der Bibliotheken und Archive muss zusammenkommen, um neue Wege zur Unterstützung der Aufgabe des Internet Archive zu entwickeln” (Ovenden 2020: 204).
Zur Finanzierung von – digitalen oder traditionellen – Archiven und Bibliotheken schlägt Ovenden (in Kapitel 14) die Einführung einer “memory tax” (Ovenden 2020: 222), d.h. einer “Gedächtnis-Steuer” oder “Erinnerungs-Steuer”, vor, die von den Tech-Unternehmen gezahlt werden sollten. Dieser Vorschlag schließt an das oben bereits angesprochene Gerechtigkeitsproblem, das Ovenden sieht, an: “The tech companies that earn so much from us all and pay so little in terms of regular business taxes could be asked to fund the very area they are undermining with their operations: social memory. A small levy, perhaps 0.5 per cent of their profits, might provide a serious fund that the public memory institutions could call on to support their work” (Ovenden 2020: 222). “Die Technologieunternehmen, die so viel an uns allen verdienen und so wenig an regulären Unternehmenssteuern zahlen, könnten aufgefordert werden, genau den Bereich zu finanzieren, den sie mit ihrer Tätigkeit untergraben: das soziale Gedächtnis. Eine kleine Abgabe, vielleicht 0,5 Prozent ihrer Gewinne, könnte einen ernsthaften Fonds bilden, auf den die öffentlichen Gedächtnisinstitutionen zurückgreifen könnten, um ihre Arbeit zu unterstützen” (Ovenden 2020: 222).
Was Ovenden diesbezüglich offenbar als unproblematisch ansieht, es jedenfalls nicht als problematisch thematisiert, ist, dass dies gesetzliche Regelungen möglichst einer ganzen Reihe von nationalen Regierungen erfordern würde, und diese, wenn die erforderliche gesetzliche Grundlage geschaffen wäre, alles andere als neutrale Treuhänder von Steuermitteln sind, wie uns die Erfahrung gelehrt haben sollte. Nationale Regierungen sind heutzutage nicht weniger daran interessiert, ihre politische Ideologie zu propagieren und ihren politischen wie materiellen Nutzen zu mehren als zu irgendeiner anderen Zeit (eher im Gegenteil) und als dies Technologie-Unternehmen sind.
Wie lange würde es wohl dauern, bis die Mittel aus der Gedächtnis-/Erinnerungssteuer (vornehmlich oder gänzlich) denjenigen zufließen würden, die ausgewählte Gedächtnis-/Erinnerungsarbeit leisten würden, nämlich solche, die von den jeweiligen Regierungen erwünscht ist, während unerwünschte unterbleiben kann, da die Erinnerung an ideologisch oder politisch Unterwünschtes ohnehin als “fake news” gebrandmarkt würde?!
Ironischerweise liefert Ovenden selbst in seinem Buch einige Beispiele für ideologisch motivierte “Schlagseite”, die deutlich zeigt, dass Menschen, die Archive oder Bibliotheken verwalten, wie Ovenden das seit Jahrzehnten tut, durchaus nicht unbedingt als die neutralen Hüter von Informationen angesehen werden können als die sie sich vielleicht selbst sehen oder als die sie gesehen werden wollen. So hat Ovenden u.a. eine ärgerliche Neigung, Beispiele für die Relevanz von digitalen Archiven auf Kosten von Donald Trump, u.a. auf den Seiten 205 bis 206, aber niemals von Hillary Clinton oder Joe Biden zu bringen. Ovenden ist anscheinend auch aufrichtig davon überzeugt, dass die “Wikipedia” etwas anderes (geworden) sei als ein Propagandainstrument Linksextremer oder sozialer Aktivisten (s. Ovenden 2020: 207-208); so bezeichnet er die “Wikipedia” auf Seite 207 allen Ernstes als eine “online encyclopedia” und “[o]ne of the most heavily used ‘organised body of knowledge’ in the present day”, und fügt beunruhigenderweise an:
“Libraries and archives, far from feeling threatened by it, have from the outset chosen to work with it” (Ovenden 2020: 207), d.h. “Bibliotheken und Archive fühlen sich davon keineswegs bedroht, sondern haben sich von Anfang an dafür entschieden, mit ihr zu arbeiten” (Ovenden 2020: 207),
aber anscheinend haben sie nicht bemerkt, dass die “Wikipedia” von ihren anfänglich durchaus respektablen Zielen sehr weit abgekommen ist und statt eines Wissenskorpus ein systematisch zensiertes und manipuliertes Instrument zur Bekämpfung ideologisch unwillkommener Ideen, Tatsachen und Personen geworden ist, und zwar so sehr, dass selbst der Mitbegründer der “Wikipedia”, Larry Sanger, in Interview mit Fox News den linken Bias derselben kritisiert und als “entmutigend” bezeichnet und festgestellt hat, dass “The days of Wikipedia’s robust commitment to neutrality are long gone”, d.h. “Die Zeiten, in denen die Wikipedia konsequent der Neutralität verpflichtet war, sind längst vorbei” (s. hierzu den Bericht von Mailonline vom 21. Februar 2021).
Ein Archiv oder eine Bibliothek muss dies wissen, insbesondere dann, wenn sie mit der “Wikipedia” arbeitet. Leider erweist sich Ovenden auch mit Bezug auf das Thema “Klimawandel” als voreingenommen: “The issue of climate change is perhaps the most urgend facing the world and an important recent study analyses climate data contained in an extraordinary archival record … Climate scientists have found that they can use this data to show that the frequencies of extreme weather in earlier centuries were outliers, but that these extremes have become the norm, since an observable shift in the climate since 1988” (Ovenden 2020: 227). “Die Frage des Klimawandels ist vielleicht die dringlichste, mit der die Welt konfrontiert ist, und eine wichtige neue Studie analysiert Klimadaten, die in einem außergewöhnlichen Archiv enthalten sind … Klimawissenschaftler haben herausgefunden, dass sie diese Daten nutzen können, um zu zeigen, dass die Häufigkeit extremer Wetterereignisse in früheren Jahrhunderten Ausreißer waren, dass aber diese Extreme zur Norm geworden sind, da seit 1988 eine Verschiebung des Klimas zu beobachten ist” (Ovenden 2020: 227).
Was Ovenden an diesem Beispiel zeigen will, ist, dass während des Zeitpunktes oder in dem Zeitraum, zu dem/in dem man Daten oder Informationen sammelt, oft nicht erkennbar ist, zu welchen Zwecken sie später verwendet werden können oder in Bezug worauf sie später aufschlussreich sein können – oder irreführend, wie sein Beispiel zeigt (schon weil Wetter, auch extremes Wetter, nicht dasselbe ist wie Klima …), so muss man hinzufügen. Aber das Problem sind nicht die Daten, für deren Archivierung oder Dokumentation sich Ovenden einsetzt; das Problem ist vielmehr, dass nicht erkennbar ist, ob er sich gleichermaßen für die Archivierung oder Dokumentation z.B. des email-Wechsels im Rahmen von “climate gate” Dazu: Costella, John P. (2010). Climategate analysis. Science and Policy Institute (2010). McIntyre, Stephen, and Climate Audit (2010). The Diclousre of Climate Data from the Climatic Research Unit at the University of East Anglia.
engagieren würde, was er zweifellos tun sollte, wenn er Wissenserwerb befördern möchte.
Natürlich geht es hier nicht um die Person Ovendens, sondern darum: Wenn Bibliothekare (wie Ovenden einer ist) als Hüter des soziales Gedächtnisses und insbesondere des von der Menschheit erworbenen Wissens gelten wollen und daraus die Legitimation für die Wichtigkeit ihrer Arbeit und die Notwendigkeit von stabiler Finanzierung ableiten, dann ist es unabdingbar, dass sie sich “im Dienst” neutral verhalten bzw. sie sich als offen für alle Informationen und Daten, die eine bestimmte Angelegenheit betreffen, erweisen, denn selbstverständlich kann nicht von ihnen erwartet werden, dass sie über alle möglichen Themen, die Einträge in ihrem Archiv oder in ihrer Bibliotheke betreffen, möglichst vollumfänglich unterrichtet bzw. auf dem jeweiligen Stand der Forschung sind. Ovenden selbst bemerkt auf derselben (!) Seite, nämlich Seite 227: “The democracy that we have in Britain relies on the free circulation of ideas in order to breathe life into the questioning spirit of our democratic process. This mean, in part, freedom of the press, but citizens need to have access to knowledge of all shades of opinion. Libraries acquire all kinds of content and this resource allows our views to be challenged and for citizens to inform themselves …” (Ovenden 2020: 227). “Die Demokratie, die wir in Großbritannien haben, ist auf den freien Verkehr von Ideen angewiesen, um den fragenden Geist unseres demokratischen Prozesses mit Leben zu erfüllen. Das bedeutet zum Teil Pressefreiheit, aber die Bürger müssen auch Zugang zu Wissen über alle Meinungsschattierungen haben. Bibliotheken erwerben alle Arten von Inhalten, und diese Ressource ermöglicht es, dass unsere Ansichten in Frage gestellt werden und die Bürger sich selbst informieren können …” (Ovenden 2020: 227).
Aber schaffen Bibliotheken tatsächlich “all kinds of content”, alle Arten von Inhalten, an?
Welche Rolle spielen bei Beschaffungsentscheidungen die persönlichen Überzeugungen und Vorlieben der Bibliotheksleiter? Würde eine Regierung mit der Zuteilung von Steuermitteln nicht irgendeine Art von “Aufsicht” darüber führen wollen, was Bibliotheken anschaffen und was nicht? Schließlich sollen ja keine “fake news” steuermittelfinanziert von Bibliotheken verbereitet werden, oder?!
Während ich Ovendens Forderung, Archive und Bibliotheken stärker zu unterstützen, als solche uneingeschränkt unterstützen kann, bin ich deshalb, was das von ihm vorgeschlagene Mittel zu diesem Zweck betrifft, eher skeptisch. Dessen ungeachtet ist es auch m.E. wichtig, eine Diskussion um Mittel zur bestmöglichen Förderung des “sozialen Gedächtnisses” der Menschheit in der Öffentlichkeit zu beginnen.
Im letzten Kapitel des Buches, Kapitel 15, begründet Ovenden, warum wir seiner Meinung nach immer Bibliotheken und Archive brauchen werden, so die Überschrift des Kapitels. Zur Begründung hierfür benennt Ovenden fünf Funktionen, die Bibliotheken und Archive seiner Meinung nach erfüllen. Wenn Bibliotheken oder Archive zerstört werden oder unterfinanziert bleiben, Bücher verbrannt, Informationen unzugänglich gemacht werden oder bleiben, dann werden damit Gedanken, Ideen, Erfahrungen und Beobachtungen (mindestens) derjenigen, die die (in ihnen enthaltenen)Texte verfasst haben, vernichtet. Was bedeutet das im Einzelnen?
Ovenden benennt in diesem Zusammenhang zunächst die Funktion, die Bibliotheken und Archive für die Bildung speziell, aber nicht nur, junger Menschen spielen können. Weil Bibliotheken und Archive unentgeltlich genutzt werden können, stehen sie allen Einkommensklassen samt Einkommenslosen zur Verfügung. Ovenden fährt fort, die große Nachfrage nach Ausleih- und Recherchediensten am Beispiel “seiner” Bibliotheken, der Bodleian Library in Oxford, anhand von Daten zu belegen. (Es ist ausgerechnet im Zusammenhang mit der Bildungsfunktion von Bibliotheken, dass Ovenden meint, Daten hervorheben zu müssen, die einen angeblich von Menschen gemachten Klimawandel stützen; s.o.!)
Dass Bibliotheken und Archive eine Bildungsfunktion überhaupt erfüllen können, hängt aber davon ab, dass sie Nutzern die Möglichkeit bietet, sich unterschiedlichen Ideen und verschiedenen Anschauungen darüber, was als Wissen (der Zeit, zu einer Sache) gilt, auszusetzen. Kritisches Denken zu entwickeln, ist weder möglich noch nötig, wenn es keine unterschiedlichen Ideen oder Anschauungen gibt bzw. nur ganz bestimmte Ideen oder Anschauungen als die (einzig) richtigen, akzeptablen oder relevanten dargestellt werden.
Innovation geschieht nicht in einem Vakkum, sondern ist in der Regel ein Ergebnis der Konfrontation mit verschiedenen, u.U. widersprüchlichen Beobachtungen oder Erfahrungen, die Menschen, die sie gemacht haben, in ihren Texten berichten. Und Innovation ist nötig, um die Gegenwart und Zukunft zu meistern.
Bücher zu verbrennen, Informationsquellen unzugänglich zu machen, sowie das Umschreiben oder (sonstwie) Manipulieren von Texten sind deshalb Betrug älterer Menschen an jungen Menschen, denen es überlassen bleiben wird, ihre Gegenwart und Zukunft bestmöglich zu gestalten und bewältigen, ohne dabei ggf. auf Anregungen oder Entwürfe zurückgreifen zu können, die ihnen diese Aufgabe vielleicht erleichtert hätten.
Was die Vergangenheit betrifft, so helfen uns die Konfrontation mit Ideen, die nicht dem Zeitgeist entsprechen mögen, und Berichte über die Erfahrungen, die Menschen zu anderen Zeiten unter anderen Lebensbedingungen gemacht haben, dabei, unsere Vergangenheit, unser So-und-So-Geworden-Sein und letztlich uns selbst zu verstehen. Dementsprechend hält Ovenden (als Punkt fünf seiner Liste der Funktionen von Bibliotheken und Archiven) fest:
“… libraries and archives help root societies in their cultural and historical identities through preserving the written record of those societies” (Ovenden 2020: 232), d.h. “… Bibliotheken und Archive tragen dazu bei, Gesellschaften in ihren kulturellen und historischen Identitäten zu verwurzeln, indem sie die schriftlichen Aufzeichnungen dieser Gesellschaften bewahren” (Ovenden 2020: 232).
Dabei ist weniger an literarische Werke zu denken als vielmehr an Materialien, die einen lokalen Bezug haben oder aus ihm heraus entstanden sind wie z.B. Familienchroniken, eine Abhandlung über Weinbau im 19. Jahrhundert in einer Bibliothek in einer Weinbau-Region, vielleicht samt Bebilderung, die den eigenen Großvater in jungen Jahren bei der Weinlese zeigt, oder eine Dokumentation der Geschichte der lokalen Burg.
Bibliotheke und Archive erfüllen nach Ovenden außerdem eine Funktion als Wahrer von Bürgerrechten. Dies wird verständlich vor dem Hintergrund von Ereignissen wie dem sogenannten Windrush-Skandal im Vereinigten Königreich, bei dem es um die Fehlklassifizierung von aus der Karibik stammenden Bewohnern der Insel mit anerkanntem Bürgerstatus als illegale Migranten ging, von denen verlangt wurde, ihren fortgesetzten Aufenthalt im Vereinigten Königreich nachzuweisen, wenn sie nicht deportiert werden wollten (Ovenden 2020: 5), oder der willentlichen Vernichtung von offiziellen Unterlagen durch serbische Militärs, um Muslime ihre Bürgerrechte vorenthalten zu können (Ovenden 2020: 229).
Die Sicherung oder Doppelung von offiziellen Dokumenten durch regierungsunabhängige Bibliotheken oder Archive können der Verletzung von Bürgerrechten oder anderen Individualrechten im Fall des Fehlens oder Verschwindens von offiziellen Dokumenten entgegenwirken, besonders angesichts der Tatsache, dass der rechtliche Status von Menschen zunehmend allein digital festgestellt und festgehalten wird, so dass sie bei Verlust des digitalen Dokumentes nichts auf der Hand haben, um ihren Status belegen zu können. Man kann m.E. nicht genug betonen, wie wichtig es vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung von offiziellen Dokumenten ist, für deren doppelte und dreifache Sicherung auf verschiedenen, regierungsunabhängigen Servern zu sorgen, wenn sie schon nicht zusätzlich als Papier-Dokument vorliegen. Die erheblichen Schwierigkeiten, die für einen Menschen entstehen können, wenn seine offiziellen Dokumente verloren gehen – sei es absichtlich oder nicht –, und wie schnell und einfach ein solcher Verlust erfolgen kann, werden in der Öffentlichkeit, soweit ich es sehe, längst nicht in dem Maß wahrgenommen und gewürdigt wie es in unser aller Interesse angebracht wäre.
Die letzte Funktion, die Ovenden (als Punkt vier seiner Liste) anspricht und die mit den und insbesondere der zuletzt genannten Funktion zusammenhängt, ist die Funktion von Bibliotheken und Archiven als Stätten, die dabei helfen, Rechenschaftspflicht einfordern zu können. Ovenden bringt diesbezüglich wieder ein Beispiel vernichteteter offizieller Unterlagen (diesmal mit Bezug auf Hong Kong; s. Ovenden 2020: 230), sowie das Beispiel von Forschungsergebnissen, die auf der Basis von Daten gewonnen und publiziert werden, aber normalerweise nicht von der diesbezüglich informierten und interessierten Öffentlichkeit und oft auch nicht von Fachkollegen überprüft werden können, weil ihnen die Daten einfach nicht zugänglich sind: “…. can the public access the underlying data so that the claims made by scientists can be verified (or the results of experiments reproduced) by other scientists? This process requires the data to be held independently so that it can be openly accessed – some of the research funders in the UK … now require researchers to deposit the data connected to research that they have funded in recognised data repositories … Libraries are key to this process, as they typically host institutional respositories of open access research papers and research data on behalf of scientific communities” (Ovenden 2020: 231-232). “…. kann die Öffentlichkeit auf die zugrunde liegenden Daten zugreifen, so dass die Behauptungen der Wissenschaftler von anderen Wissenschaftlern überprüft (oder die Ergebnisse von Experimenten reproduziert) werden können? Dieser Prozess setzt voraus, dass die Daten unabhängig aufbewahrt werden, damit sie offen zugänglich sind – einige der Forschungsförderer im Vereinigten Königreich … verlangen jetzt von den Forschern, dass sie die Daten, die mit den von ihnen finanzierten Forschungsarbeiten verbunden sind, in anerkannten Datenspeichern hinterlegen … Bibliotheken spielen in diesem Prozess eine Schlüsselrolle, da sie in der Regel institutionelle Repositorien für frei zugängliche Forschungsarbeiten und Forschungsdaten im Auftrag wissenschaftlicher Gemeinschaften beherbergen” (Ovenden 2020: 231-232).
Damit werden Forschungsdaten und die darauf gezogenen Schlussfolgerungen überprüfbar und ggf. als “fake science” (Ovenden 2020: 231) identifizierbar. Hier (ebenso wie bei der Sicherung digitaler offizieller Dokumente) geht es also um nicht mehr und nicht weniger als Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit, zwei Kriterien für Aussagen, die Anspruch auf Wahrheit bzw. Wahr-Sein erheben. Deshalb hält Ovenden fest:
“… libraries and archives provide a fixed reference point allowing truth and falsehood to be held to account through verification, citations and reproducibility” (Ovenden 2020: 230), d.h. “… Bibliotheken und Archive bieten einen festen Bezugspunkt, der es ermöglicht, [Aussagen mit Anspruch auf] Wahrheit und Unwahrheit durch Verifizierung, Zitate und Reproduzierbarkeit zur Rechenschaft zu ziehen” (Ovenden 2020: 230).
Ovenden beendet dieses letzte Kapitel mit dem Hinweis darauf, dass sich die Funktionen, die Bibliotheken und Archive erfüllen, nicht in den fünf von ihm genannten Funktionen erschöpfen, aber die Wichtigkeit der Bewahrung von Wissen (im weiteren Sinn) für die Gesellschaft aufzeigen.
Wie eingangs bereits gesagt ist das Buch von Ovenden m.E. sehr lesenswert. Es ist keine Kritik an dem Buch selbst, wenn ich abschließend bemerke, dass mir zwei Dinge gefehlt haben, die ich im Zusammenhang mit dem Thema des Buches wichtig finde. Die “Kritik” ist also tatsächlich gar keine bzw. keine Kritik an dem, was geleistet wurde, sondern gehört in die Klasse “Was-Ich-Mir-Sonst-Noch-Gewünscht-Hätte”.
Erstens hätte ich mir gewünscht, dass Ovenden in einem Kapitel die Kluft zwischen Anspruch und Realität mit Bezug auf die Dienstleistungen von Bibliotheken und Archiven für die Öffentlichkeit thematisiert. So mag es stimmen, dass sie unentgeltlich genutzt werden können, aber die wenigsten Menschen wohnen in hinreichender Nähe zu einer guten, großen Bibliothek, die viele Leistungen anbietet, um sie aufsuchen zu können. Die Nutzung der Dienstleistungen durch die meisten Menschen hängt also davon ab, dass Bibliotheken einer breiten Öffentlichkeit digitale Dienste anbieten. Diese digitalen Dienste werden aber häufig eben nicht angeboten. Versuchen Sie z.B., über Ihre örtliche Bibliothek oder die in der nächstgrößeren Stadt von zuhause aus Zugang zu Fachzeitschriften zu erhalten und Artikel in ihnen, sofern der Zugang wider Erwarten möglich sein sollte, nicht nur zu lesen (oder nur die Zusammenfassung zu lesen), sondern auch herunterzuladen oder auszudrucken! Sofern diese Dienste angeboten werden, sind sie gewöhnlich mit Lizenzen verbunden, die von Universitäten (mit-/)bezahlt werden, die ihrerseits den Zugang für an der Universität Studierende oder Angestellte beschränken und nicht für die Öffentlichkeit offen sind. Dasselbe gilt für Daten(-/Sätze); der Zugang zu ihnen bleibt oft Wissenschaftlern vorbehalten und erfordert teilweise die Angabe von Verwendungszweck oder des Forschungsprojektes, in dessen Rahmen die Daten von Interesse sind.
Solche Praktiken zeigen deutlich, dass es gar nicht das Ziel ist, (diese) Materialien der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vielleicht aufgrund des überkommenen Vorurteils, dass in der breiten Öffentlichkeit nur wenige Menschen existieren, die das Interesse haben, die Daten abzurufen, und die Kompetenz, sie selbst zu analysieren oder zu interpretieren. Besonders dann, wenn man in der Öffentlichkeit dafür wirbt, dass sie sich mehr für die Unterstützung von Bibliotheken und Archiven einsetzen möge, ist es m.E. wichtig, die Mängel mit Bezug auf Dienstleistungen von Bibliotheken und Archiven für die breite Öffentlichkeit (und nicht nur für jeweils ausgewähltes Publikum) zu thematisieren.
Die zweite Soll-Stelle, die ich sehe, ist eine größere Beschäftigung mit der Frage, wer – allgemein, aber im Zusammenhang mit dem Buch von Ovenden speziell mit Bezug auf die Beschaffungs- und Angebotsentscheidungen von Bibliotheken und Archiven – wie entscheidet, was in einer Zeit, in der nicht einmal mehr ein Konsens darüber besteht, dass es Wissen gibt, das mehr als subjektive Geltung beanspruchen kann, als Beitrag zum Erwerb oder zur Weitergabe von Wissen angesehen wird und was nicht.
Wie können Bibliotheken und Archive sicherstellen, dass sie nicht einseitig Materialien sammeln, die ihnen heute oder aufgrund persönlicher Vorurteile) als Wissen vorkommen, und Materialien aus der Sammlung ausschließen, die für sie kein Wissen oder vielleicht “fake news” darstellen (sich aber morgen als faktisch zutreffend erweisen können)? Und sollen sich Bibliotheken und Archive auf die Sammlung von Wissen beschränken? Inwieweit sollte in Bibliotheken unterhaltendes Material gesammelt werden? Auf diese Fragen gibt es nur mehr oder weniger gut begründbare Antworten, aber keine richtigen oder falschen Antworten. Es geht also nicht darum, die richtige Antwort auf diese Fragen zu finden, geschweige denn zu verlangen, dass Ovenden die richtige Antwort auf diese Fragen in seinem Buch liefern solle. Es wäre m.E. aber hilfreich gewesen, wenn Ovenden seine diesbezügliche eigene Anschauung oder Praxis und seine Erfahrungen mit der entsprechenden Praxis angesprochen hätte; da dies nicht der Fall ist, kommt man als Leser schwerlich umhin, die implizit bleibenden Voraussetzungen, unter denen Ovenden für eine größere Wertschätzung und finanzielle Förderung von Bibliotheken und Archiven argumentiert, zu rekonstruieren, so gut es geht.
Wie gesagt ist es nicht fair, einem Buch anlasten zu wollen, was es nicht enthält, statt das zu würdigen, was es enthält, und das Buch von Ovenden enthält neben einer Vielzahl von Informationen über historische Bücherverbrennungen im weiteren Sinn viele Überlegungen (wie z.B. darüber, welche besonderen Ansprüche die zunehmende Digitalisierung an Einrichtungen stellt, die als eine Art soziales oder kulturelles Gedächtnis funktionieren sollen oder wollen), an denen der Leser ansetzen kann, um seine eigenen diesbezüglichen Überlegungen anzustellen.
Ich vermute, dass die meisten Leser des Buches zu dem Schluss kommen werden, es mit Gewinn gelesen zu haben, und würde deshalb die Lektüre des Buches allen, die sich für das Bibliothekswesen oder die Frage nach dem Wert der Bewahrung und Weitergabe von Wissen überhaupt interessieren, empfehlen. Deutschsprachigen Lesern würde ich außerdem empfehlen, wenn möglich, die englischsprachige Originalversion zu lesen und nicht die ins Deutsche übersetzte Version, die ich zugegebenerweise nicht vollständig gelesen habe, die mir aber aufgrund der Stichproben-Lektüre, die ich vorgenommen habe, nicht immer dem Tenor der Originalversion entsprechend vorkam, und sei es nur durch Konnotationen der gewählten Worte (was nicht unbedingt die Übersetzerin zu verantworten hat, sondern ein Stück weit bei jeder Übersetzung unvermeidlich ist).